Seit dieser Mann Bürgermeister ist, hat sich unsere Gemeinde verändert.
Ortigueira hat sich von einem vernachlässigten, langweiligen Kaff in eine
schmucke und lebendige Kleinstadt verwandelt. Eigentlich wurde dieser Alcalde ja
nur gewählt, weil er der gleichen Partei wie sein Vorgänger angehört, und "weil
sein Vorgänger ein netter Mensch war". Genau das hat man mir gesagt. Damals,
als ich nach etwa einem Jahr einige sehr erzürnte, über den Bürgermeiste
schimpfende Leute fragte, warum sie ihn denn gewählt hätten. Ja, sie fühlten
sich betrogen. Alles wurde verändert. Es schien, als ob kein Stein auf dem
anderen bleiben würde. Die meistens stinkende und für Mückenschwärme sorgende
kleine Bucht vor der Alameda wurde in einen modernen Sporthafen umgebaut. Der
Stadtpark, der doch so praktisch war, um die Hunde Gassi zu führen, wurde
plötzlich total umgekrempelt. Die wunderschönen (aber leider überhaupt nicht
passenden) Palmen wurden mit grossem Aufwand - Spezialkräne kamen aus Barcelona
- ausgegraben und einige zehn Meter weiter drüben wieder eingepflanzt. In einer
Reihe, den Sporthafen in Klein-Miami verwandelnd. Die verwahrlosten, mit Unrat
versauten Hecken wurden ausgerissen. Jetzt ist da ein wunderschöner Park. Die
uralten Zedern (die ältesten ihrer Art auf der Halbinsel) werden nachts von
unten angeleuchtet. Früher wurden sie rücksichtslos mit der Kettensäge behandelt.
Und die Hunde müssen an der Leine geführt werden. Wo sollen sie denn jetzt ihr
Geschäft verrichten? Ausserdem, SOWAS!, der Hundekot muss aufgelesen und in den
Abfall getan werden. Eine Zumutung. Dauernd sind Arbeiter daran, irgend eine
Strasse aufzureissen, damit die Strom- und Telefonkabel unter die Erde kommen.
Geldverschwendung! Mit dem Auto darf man auch nicht mehr überall hin. Die Leute
waren sauer.
So langsam aber sicher sahen sie jedoch, dass das alles sehr schön wurde. Man sah, dass Autobusse kamen, die Leute ausstiegen und das Städtchen besichtigen. Jaaa, das war schon gut, dass man diesen Alcalde gewählt hatte. Man hatte das ja schon immer gewusst. In Spanien kann kein öffentliches Gebäude, kein Platz, keine Strasse gültig in Betrieb genommen werden, ohne dass eine offzielle Einweihung stattfindet. Bei kleineren Anlässen kommt vielleicht ein Abgeordneter oder der zuständige Minister der Autonomieregierung oder der Provinz. Oftmals aber kommt auch Herr Fraga persönlich, der Präsident der Autonomieregierung.Da wir zu den Unternehmern der Gemeinde gehören, werden wir dann und wann mal eingeladen zu solchen Einweihungen. Mir fiel immer wieder auf, wie unkonventionell unser Alcalde gekleidet ist. Während die restlichen "Würdenträger" im dunkeln Anzug mit dezenter Krawatte erscheinen, kommt unser Alcalde mit einem knallblauen oder fein karrierten Sakko zu grauer Hose und hat meistenst eine auffällige Krawatte umgebunden. Nun war die feierliche Eröffnung der neuen Bibliothek an der Reihe. Wir gingen hin, man kann ja nicht immer absagen, und ich wunderte mich nun doch ein wenig über die Krawatte des Bürgermeisters. Zu grauem Hemd, grau-senf karriertem Sakko (und grauer Hose) trug er ein gestreiftes Ding in allen Neonfarben und schwarz. Im Verlaufe der Rede richtete er ein paar Worte direkt an die Kinder, die recht zahlreich erschienen waren. Er sagte:Lest, Kinder, lest. Es ist wichtig. Wir haben speziell für euch ein Lesezimmer eingerichtet. Und seid nett zu Maria-José, gehorcht ihr und behandelt die Bücher mit Sorgfalt. Seht her (er fasste sich an die Krawatte), dieses Gebäude ist das einhundertneunundfünfzigste Werk, welches ich einweihe. Zu jeder Einweihung trage ich eine neue Krawatte. Und diese hier habe ich ganz speziell für heute ausgesucht, weil sie fröhlich ist. Endlich weiss ich nun, was die Krawatten zu bedeuten haben. Und, da wir
gerade bei den Farben sind: Verena am 23.01.05 |
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